Was macht erfolgreichen Tourismus künftig aus? Über notwendige Beziehungskultur und Resonanzen im digitalisierten Massentourismus. – Ein Kommentar von Harry Gatterer Zukunftsinstitut
Der Massentourismus hat nicht nur in vielen Regionen seine
ökologisch und lokal bedenklichen Spuren hinterlassen, sondern auch sein
angebotsseitiges Paradigma. Auch wenn sich dieses meist hinter wohlklingenden,
weichspülenden Werbe-Floskeln („Bei uns steht der Gast im Mittelpunkt“,
„Erleben Sie bei uns außergewöhnliche Momente“) verbirgt, lautet es im Kern
meistens doch nur: Friss oder stirb! Buchungsplattformen fördern dieses
Paradigma nicht nur, sie fordern es auch: Alles kann und soll schnell,
automatisiert und unkompliziert gehen. Je weniger menschliche Interaktion, desto
besser.
Doch quantitative Maximierung ist für Touristiker wie für Touristen eine
Sackgasse. Tourismus ist an vielen Orten der Welt gar kein Glücksgarant mehr,
sondern bloßer Stressfaktor. Er schadet der Umwelt,
belastet Menschen vor Ort, stresst
den Reisenden, überfordert die Angestellten
und erhöht den Preisdruck auf Anbieter.
Die touristische Wachstumsspirale dreht
sich immer schneller – zu Lasten aller Beteiligten und ihrer
Lebensqualität(en).
Gibt es dazu Alternativen? Ja, denn Touristen fragen immer mehr intensive
Reiseerlebnisse und transformative Urlaubserfahrungen nach. Sie wollen auf
Reisen „berührt“ werden und in Beziehung mit der Umgebung treten. Dies
erfordert eine neue Qualität des Tourismus, der den Blick nicht bloß auf
digitale Daten, sondern auf menschliche Werte und Bedürfnisse richtet. Die
Zukunft liegt im Resonanz-Tourismus. In touristischen
Angeboten, die Maß am Kernwert der „Gastfreundschaft“ nehmen. Denn es geht im
Tourismus letztlich um ein freundschaftliches Angebot von Lebensqualität und
gelingenden Beziehungen. Um das Erlebnis menschlicher Resonanz.
Der Tourismus wird in der Praxis von vielfältigen Beziehungen zwischen Menschen
geprägt, die wieder sichtbar sein und gestaltet werden müssen: Von Beziehungen
zwischen Gastgebern und Gästen, zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern,
zwischen Individuen und Gemeinschaften. Der Megatrend Individualisierung wird weiter unsere
Gesellschaft prägen und gleichzeitig die Entstehung einer neuen „Wir“-Kultur
vorantreiben, in der Beziehungen und menschliche Resonanz wieder deutlich an
Wert gewinnen.
Das Versprechen „Herzlich willkommen“ müssen nicht nur die Touristen ernst
nehmen können, sondern auch die touristischen Mitarbeiter. Der massive Fachkräftemangel
in der Branche ist angesichts fordernder Arbeitsbedingungen nur durch mehr
Resonanz lösbar. Auch die Fachkräfte müssen „Gastfreundschaft“ erfahren. Wer Führung als Dienstleistung und seine Angestellten als
Partner versteht, macht den Unterschied.
Nicht bloß auf einzelne Anbieter, sondern auf ganze Regionen warten durch eine
neue Resonanz-Kultur neue Chancen. Tourismus-Anbieter müssen heute gemeinsam
Antworten auf die Frage entwickeln, welche Resonanzerfahrung sie und das
gesamte regionale Ökosystem bieten können, in dem sich die Menschen rund um das
jeweilige Angebot bewegen. Es zahlt sich aus, den Menschen im Gast zu suchen –
und ihm Beziehungs- und Resonanzräume zu bieten, die besondere Erfahrungen und
damit persönliche Entwicklung ermöglichen.